Das Bekenntnis zu Webstoff oder Jersey scheint die Nähcommunity in zwei große Lager zu teilen. Nur ein Bruchteil von uns näht und trägt beides gleichermaßen gern, oder?
Während man als Klamottenkäuferin natürlich nehmen muss, was der Markt im Angebot hat, stehen uns Nähnerdinnen zur Entfaltung der persönlichen Lieblingsmaterialfrage ganz andere Möglichkeiten offen. Für uns macht die Frage "Webstoff oder Jersey" absolut Sinn.
Ich bin "Jersey". Ganz eindeutig sind meine liebsten und am meisten getragenen Klamotten bzw. Oberteile aus Jersey. Maximal aus elastischem Webstoff. Ich mag die Bequemlichkeit und das Nicht-bügeln-müssen. Ich kann meine Jerseykleider übereinandergestapelt im Schrank (oder auf der "chairdrobe", also dem Stuhl davor) lagern und brauche sie nicht auf Bügel zu hängen. Das Reisetasche packen geht einfach und schnell. Das mag ich alles sehr.
Ich kann aber auch nachvollziehen, was an stabilem Webstoff schön ist. Wie er ganz anders umhüllt, viel angezogener rüberkommt, die Trägerin zu mehr Haltung animiert, etwas Beschützendes vermittelt. (Hab ich was vergessen bzw nicht erkannt?) Bisweilen, aber eher selten, mag ich das auch.
Bei Röcken und Hosen ist Webstoff für mich problemlos, aber obenrum werde ich "eigen". Denn was nützt mir die schönste Klamotte, wenn ich meine Arme nicht frei und spontan genug bewegen kann. Wenn ich vor oder nach jeder Armhebung daran denken muss, das Kleid oder Oberteil erst durch eine Art Vorbereitungsbewegung anders und danach wieder neu zu richten. Ganz zu schweigen von solchen Ärmeln, die im Falle einer Armvorwärtsbewegung sowieso gleich jegliche Blutzufuhr unterbinden. Das kann im Ernst niemand schön finden oder überhaupt freiwillig ertragen, sonstiges Tragegefühl hin oder her.
Und so denke ich manchmal. dass es bei der Frage nach Web- oder Jerseystoff vielleicht gar nicht um
eine Haltung bei der Angezogenheit, sondern vielleicht um unterschiedliche Körpertypen geht. Gibt es vielleicht Menschen,
die einen anderen Bewegungshebel an Armen oder Schulter haben als andere?
Trotzdem ich also obenrum lieber Jersey haben mag, will ich nicht immer nur T-shirts tragen. Eine richtige Bluse mit Kragen macht manchmal eben einfach ein bißchen mehr her.
Seit ich nach verschiedenen, aber nie bis zur Serienreife vorgedrungenen Modellversuchen vor kurzem eine Jerseyluse nach einem Knip-Kleiderschnittoberteil nähte (
hier gezeigt) bin ich geradezu euphorisch besessen von der Idee, mich endlich mit solchen Jerseyblusen einzu
nähendecken.
Und heute zeige ich euch mein bislang liebstes Modell aus einem vor Monaten genau zum Zweck einer solchen Bluse gekauften Jersey von Westfalenstoffe (gibt es noch immer ziemlich günstig
hier). Zusammen mit einem schwarzen Hollyburn (
hier).
Mit dem Blumenstraußjersey hätte das auch alles sehr albern werden können, da war ich im Vorfeld etwas unsicher. Aber das Ergebnis finde ich für mich einfach großartig.
Hier kommen jetzt ein paar Details:
Der Schnitt ist aus der Knip bzw Fashion Style, der bei mir fast ohne Änderungen auf Anhieb gut passte.
Ich vermeide bei Jersey gerne potentielle Gefahrennähte. Und verzichte deshalb u.a. auch möglichst komplett auf Knopflöcher. Manchmal gelingen die Löcher, wenn das Jersey-Nähglück hold ist. Aber es kann eben auch in großen Katastrophen in der Endphase eines Projektes enden.
Da die Bluse elastisch ist, habe ich die Knöpfe wieder einfach nur aufgenäht. Und ziehe die Bluse einfach wie ein T-Shirt an.
Die vordere Blende habe ich angeschnitten und verbreitert. Da das Revers ja immer offen bleibt, ist das weiße Innere dann nicht sichtbar.
Und ihr? Webstoff oder Jersey? Wer sich welche Materialträume erfüllt hat, kann man auf dem
MMM-Blog sehen. Ich darf dort heute Gastgeberin sein.