Samstag, 12. Juli 2014

Grüne Lieblingsstrickjacke (mit angestrickten Ärmeln)

Ich hatte sie im vorletzten Post schon gezeigt: Meine nicht mehr ganz neue, aber aktuell liebste Ganzjahres-Strickjacke.



Die Tulpenblättergrüne Sockenwolle habe ich im letzten Sommer in einem Resterampen-Posten-Billigheimerladen an der Nordsee entdeckt. Und es war sogar ein leuchtend oranges Preisschild auf der Banderole, was in mir immer wieder den irrationalen Schnäppchen-Lumpi lechzen lässt. Petzt mir jetzt bitte nicht, dass es in solchen Läden sowieso nur orange Preisschilder gibt....
75% Wolle und alles superwash für 1,99€

Ich habe die Jacke nach der Schlampenmethode (Strickmethode von Hobbystrickerinnen, erstmals von Lucy erwähnt und beschrieben) gestrickt. Was in meiner Variante heißt: Einfach anfangen und sich -so man denn einen Stift zur Hand hat- ein paar kryptische Notizen machen. Am besten macht man diese Notizen nicht auf ein loses Blatt, auf dessen Rückseite noch nichtstrickrelevante Informationen stehen... Ihr ahnt, warum ich das weiß, oder?

Nach einer simplen Maschenprobe habe ich noch im letzten Sommer das Bündchen angeschlagen (Taillenumfang minus 2-3 cm für die Blende- und ganz wichtig: alles in gedehntem Zustand).
Dann lag das fertige 1rechts-1links-Bündchen eine Weile rum. Der Jodel-Knit-along stand an und ich strickte auch in den Herbstferien lieber verschlungene Zöpfe. Hatte aber zusätzlich auch das grüne Bündchen samt 3,5-er Holznadeln dabei. Was sich -nachdem ich zum Urlaubsende mein Scheitern beim Jodelwams einsehen musste- als sehr, sehr weise herausstellte. Denn somit hatte ich auf dem langen Transatlantikrückflug überhaupt was zum Stricken. 
Im abgedimmten Flugzeug, eingekeilt zwischen schlafenden Mitreisenden und ohne wirklich sehenswerte Filme konnte ich mich ganz und gar diesem Strickwerk widmen. Allerdings hatte ich in dieser Situation weder eine konkrete Anleitung und schon gar nicht die Mögichkeit zu irgendeiner Inspirationssuche im Internet. Und so begann ich ganz tiefenentspannt ein bißchen rumzuprobieren und mir einen zur Maschenzahl passenden Musterrapport auszudenken. Rausgekommen ist dies:

Das eckige Muster mit den 4 Löchern besteht aus 
1 Umschlag, 3 Maschen zusammenstricken (indem man die erste M abhebt, die folgenden beiden rechts zusammenstrickt und die abgehobene darüberzieht). 1 Umschlag- 13M glatt rechts.
Diesen Musterrapport in der übernächsten (rechten) Hin-Reihe wiederholen.
Danach in der überübernächsten Hin-Reihe das Mustereck versetzen.

Das persönlich Spannende an dem Ganzen ist für mich, dass ich zu keinem Moment bewußt an Lucys Jacke gedacht habe. Aber offensichtlich ihr tolles Stück so verinnerlicht, diese gelungene Wollfarbe-Musterkombination ganz tief abgespeichert hatte, dass ich dadurch ganz unbewusst ein fast identsches Muster gefunden habe.

Da ich nach dem Bündchen nicht zu stärkeren Nadeln wechseln konnte (ich erwähnte ja schon die flugzeugkompatiblen Holznadeln, die ich aber nicht in allen Größen besitze), habe ich in der ersten glatten Reihe ca jede 8. Masche verdoppelt.
Und dann erstmal ein ganzes Stück bequem geradeaus hoch gestrickt. Zwischendurch mal angehalten/ umgelegt. Bis ich später und wieder zuhause dann zum Ärmelloch kam. Hierfür die Maschen vom durchgehenden Körperteil sinnvoll in zwei Vorder- und ein Rückenteil aufgeteilt (Achtung Blendenbreite bedenken!) und dann beidseitig der Seitenlinie in den folgenden Reihen jeweils 3M, dann 2M und noch einmal 1M abgekettet.
Und wieder erstmal  geradeaus. Die Ausschnittabnahmen habe ich dann jeweils durch Anhalten und Maschenabzählen vorgenommen. Wenn man zügig arbeitet kann man sich die Machenzahl vom einen bis zum anderen Vorderteil merken. Ansonsten muss man -falls keine Notizen vorhanden sind- versuchen abzuzählen oder durch gegengleiches Auflegen zu rekonstruieren. Meine Devise ist hierbei, wenn etwas symmetrisch aussieht, dann reicht das und es kommt nicht auf eine Masche mehr oder weniger an. 
Die wichtigste Richtzahl im Bereich dess Ausschnitts ist mir immer die Anzahl der Restmaschen an der Schulternaht von Vorder- und Rückenteil. Die sollte vorne und hinten möglichst gleich sein, damit beim Zusammennähen alles gut aneinanderpasst.

Wie ich schon beim post zur WM-Jacke schrieb, neige ich dazu, nach Abschluss des Jackenkörpers nicht nur die Schulternähte zu schliessen, sondern ebenfalls die Blenden anzustricken und -soweit schon vorhanden- auch die Knöpfe anzunähen. Ab diesem Zeitpunkt ist dann jede Anprobe ein Vergnügen und zeigt die Passform schon sehr gut. Wenn die Jacke ein bißchen stramm sitzt, dann wird sie nach der waschbedingten leichten Materialvergrößerung optimal sitzen. (also in der Regel- die ja bekanntlich wiederum von Ausnahmen bestätigt wird)

Was mir nicht ganz gelungen ist, kann man hier erkennen. Das Blendenbündchen zieht sich unten etwas nach oben. Die Knopflöcher hätte ich auch noch etwas weiter nach innen versetzen sollen. Also nicht mittig in die Bündchenbreite sondern 2 Reihen weiter nach innen, das sieht bei körpernahen Jacken immer etwas besser aus. Und wo ich schon bei der Selbstkritik bin: Ich habe die Verteilung der Knöpfe anhand der Anzahl der vorhandenen Knöpfe bestimmen müssen, dadurch ist die Plazierung nicht ganz optimal.
Auf den Fotos scheint das aber alles schlimmer auszusehen als in echt!!


Wenn der Jackenkörper fertig ist, fängt man mit dem Stricken der Ärmel von oben nach unten an. Dafür nimmt man aus dem Armkugelloch Maschen auf. Ich tendiere dazu, aus jeder Randmaschenschlinge eine Masche rauszustricken. Je nachdem wird empfohlen, eine bestimmte Anzahl von Maschen zu verdoppeln. Das finde ich am oberen Rand ganz gut, wenn man eine Art Puffärmeleffekt haben möchte. 


Das Prinzip ist folgendes ( anhand der WM-Jacke auf dem Foto gezeigt): Aus den Randmaschen am Ärmelloch eine Runde Maschen aufnehmen (rote Punkte). Dabei fange ich nicht an der Seitennaht an, sondern ca 6 Maschen vor der Schulternaht (roter Pfeil).
Wenn die Runde voll ist, beginne ich mit den verkürzten Reihen und stricke die 6 Maschen vor der Schulternaht (also am Rundenanfang) und die 6 Maschen hinter der Schulternaht. Nun wird das Strickwerk gewendet und zurückgestrickt. Bei jeder dieser Reihen (blaue Linien) nimmt man am Ende eine der zuvor aufgenommenen und noch stillgelegten Maschen dazu. Die abgestrickten Maschen in den Hin- und Herreihen werden also immer mehr. 


Meine liebste Methode, um dabei Löcher an den Wendestellen zu vermeiden, ist die mit den Bobby pins (hier in diesem Video zu sehen ab Minute 5:58) 


Man arbeitet sich also mit verkürzten, immer länger werdenden Hin- und Rückreihen die Armkugel runter. Ich benutzte dafür eine Rundstricknadel. Mit zunehmender Reihenzahl und -länge wird es dann schon recht fummelig, um die Ecken zu kommen. Da muss man dann durch, indem man das Kabel der Rundnadel immer wieder zwischen den Maschen rauszieht (ist das "magic loop"?) Oder auf ein Nadelspiel umsteigt.



Ich stricke so lange verkürzte Reihen, bis noch ca 14 Maschen (in der Achsel) übrig sind. Nun schließe ich in einer Hinreihe die ganzen Maschen zu einer Runde und stricke den Ärmel so bis nach unten durch. Dann habe ich zwar ununterbrochen das Kabelgeziehe, brauche aber am Ende keine Ärmelnaht schliessen. Ich persönlich stricke einfach nicht so gerne mit einem Nadelspiel und nehme diese Unannehmlichkeit dafür gerne in Kauf.
Je nach Strickmuster kann es aber auch sinnvoller sein, mit Hin- und Rückreihen zu arbeiten!

Die Abnahmen in der Ärmelnaht fangen möglichst gleich nach dem Rundenschliessen an. Ich verteile diese nicht gleichmäßig von oben nach unten sondern nehme diese immer eher intuitiv vor. Oder probiere an und entscheide
Auch hier gilt: Aufschreiben und beim zweiten Ärmel korrekt wiederholen ist natürlich besser, aber wenn etwas symmetrisch aussieht, dann ist es genauso gut.

Nachdem ich bei diesem Projekt die fünfte 3,5er Holznadel durchgesessen hatte, bin ich letztlich mitten im Projekt wieder auf Metall umgestiegen, und erleichtert, dass ich keinen Unterschied oder gar die Übergangsstelle erkennen kann.
Ich mag die Holznadeln wirklich gern und das handling ist toll, aber die Zerbrechlichkeit passt nicht in mein Strickleben. Die dickeren 5-er Nadeln sind bedeutend stabiler.

14 Kommentare:

  1. Diese wunderbare Jacke ist ein Triumph der Schlampenstrickmethode. "wenn etwas symmetrisch aussieht, dann ist es genauso gut" - genau so. Und vor allem vielen Dank, dass du das Ärmel-Anstricken nochmal genau erklärt hast. Bei der nächsten Jacke nach Schlampenmethode probiere ich das wirklich aus.

    AntwortenLöschen
  2. Das ist Unabhängigkeit, wenn man einfach so und überall losstricken kann, ich finde das klasse. Ich habe mir ja so nach und nach Karbonnadeln in den dünneren Stärken angeschafft, durchsitzen kann ich leider auch super.
    Viele Grüße
    Sylvia

    AntwortenLöschen
  3. Ohhhh.... Danke für deine wunderbare Anleitung zur Schlampenstrickmethode:))) Eine Strickjacke zu meinen Kleidern steht schon lange auf meiner Todo-Liste.
    Deine Art der Maschenprobe werde ich ausprobieren (Gott, was war ich immer genervt, wenn trotz Maschenprobe alles immer zu weit wurde).
    Lieben Gruß
    dani

    AntwortenLöschen
  4. Deine Erklärung ist wahrscheinlich die Rettung für mein Trachtenjacken-Ufo. Ich werds versuchen, dann ist die auf jeden Fall fertig.
    Vielen lieben Dank schon mal und Grüße
    Alexandra

    AntwortenLöschen
  5. Eine tolle Jacke. Und vielleicht traue ich mich ja mal nach dieser Beschreibung ;-)
    Lieben Gruss Heike

    AntwortenLöschen
  6. Das mit dem Arm anstricken mit leichter Kugel ist ja ein super Tipp, vielen Dank. Ich habe es verstanden, ausprobiert und es hat funktioniert!!!! Sieht klasse aus und passt gut.

    AntwortenLöschen
  7. Hach ja, stricken müsste man können! Irgendwann bringe ich mir das auch nochmal bei, bis dahin muss ich mich damit begnügen, Cardigans einfach zu nähen :)

    Einen tollen Blog hast du!

    Liebe Grüße,
    SewReal

    AntwortenLöschen
  8. Im Wollladen sagten sie mir: Ärmel anstricken funktioniert nie. Und siehe da: Mit Deiner Methode klappt es super. Vielen Dank!!

    AntwortenLöschen
  9. Genial!
    Gelesen - Wolle gekauft - und jetzt wird es ausprobiert!!
    Bin schon sehr gespannt, wie die Umsetzung klappt!
    LG Monika

    AntwortenLöschen
  10. Hallo Wiebke! Ich habe sehr lange keine richtige Kleidung gestrickt! (Westen häkeln zählt da wohl nicht!) Diese Anleitung finde ich aber so gut, dass ich mir rote Wolle bestellt habe und das Bündchen sogar schon fertig ist. Ich bin voller Hoffnung, dass ich ohne viel räufeln zum Ziel komme!
    LG Monika

    AntwortenLöschen
  11. Ich habe mich von deiner Anleitung inspirieren lassen und meine WIEBKE ist fertig!
    LG Monika

    AntwortenLöschen
  12. Tolle Anleitung. Nur eine Frage dazu. Du schreibst, dass du bis zu den letzten 14 Maschen in der Achsel gestrickt hast. Das ist ja bei dickerem Garn weniger. Wie mach ich es denn dann? Ungefähre Armbreite?
    LG

    AntwortenLöschen
  13. Schlampenstrickmethode... toller Ausdruck. Musste herzhaft lachen und über den humorigen Text das eine und andere Mal schmunzeln.
    Danke für die tolle Erklärung zum direkten Anstricken der Ärmel. Sie verleitet zum Versuch.
    Liebe Grüsse
    Andrea

    AntwortenLöschen