Auch im Hause Kreuzberger Nähte gab es ein textiles Männerweihnachtsgeschenk aus eigener Produktion.
Als ich im Juni bei Sinje / Strich & Faden auf
ihre Frage nach guten Männerschnitten in den Kommentaren von meiner Namensschwester Wiebke zum ersten Mal von dem canadischen independentlabel Thread Theorie hörte und dort stöberte, war ich einfach nur begeistert. Und habe mir sofort den
Newcastle Cardiganschnitt runtergeladen.
Ich hatte damals für meinen Liebsten gerade erfolgreich einen Unterhosenprototypen nach dem
Schnitt John genäht und war voller NfA-Tatendrang.
Aber aus unerfindlichen Gründen blieb der ausgedruckte Schnitt dann liegen. Bis kurz vor Weihnachten, als meine Tochter jammerte, dass sie kein Geschenk für den Papa wüsste.
Für den unverplanten und Papalosen letzten Adventssonntag planten wir also ein gemeinsames Mutter-Tochter-Papastrickjackennähen.
Stoff dafür hatte ich mittlerweile aufgetrieben. Sogar gleich doppelt:
Das eine ein lang verschollenes Bestandsstück aus den 90-ern, herrlichster Wollstrick aus einem italienischen Stoffgeschäft am Savignyplatz. Ich glaube das war einer der teuersten Stoffe, die ich jemals gekauft habe. Völlig zu Recht, immerhin enthält er ausschließlich kuscheligste Wollfasern und ganz sicher auch nicht nur einen Hauch Angora und /oder Kaschmir. Ich hatte mir damals einen Lieblingspulli daraus genäht (wo ist der eigentlich abgeblieben???) und aus vergessenen Gründen die gleiche Menge nochmal nachgekauft und zur Seite gelegt. Und genau dieses Stück ist vor kurzem bei einer Kellerräumaktion wieder zum Vorschein gekommen. Völlig unversehrt. Und auch das typische Kelleraroma hat sich, nachdem eine Wäsche zunächst nicht geholfen hatte, mittlerweile einfach von selbst verflüchtigt.
Der zweite Stoff ein olivfarbener glatter Winterjersey vom Maybachufer. Man könnte die Qualität vielleicht auch als wolligen, feinen Romanit bezeichnen.
Ganz naiv -und im Nachhinein geradzu lächerlich- dachte ich mir den Nähsonntag wie folgt: Am Vormittag kleben wir gemeinsam ganz gemütlich die 32 DinA4-Blätter zusammen, hören Musik und essen dabei ein paar Kekse, danach schneiden wir gemeinsam aus den beiden Stoffen zwei Strickjacken zu, begleitet von schöner Musik und weiterem gemütlichen Keksverzehr. Und dann fangen wir an, die beiden Strickjacken zusammenzunähen. Ich übernehme den dickeren gerippten Wollstrick während meine hochmotivierte Tochter den leichter zu verarbeitenden Winterjersey zusammennäht. Ganz gemütlich würden wir Schritt für Schritt paralell zwei tolle Geschenke produzieren. Und viel Spaß dabei haben.....
Es begann auch ganz gemütlich mit dem Zusammenkleben. Als meine Tochter beim endlosen Kleben bereits erste Ermüdungserscheinungen zeigte, schlug ich ihr vor, sie könne doch eine Art Liveblogbericht schreiben, den wir dann abends posten würden. Hier also ihr Originaltext:
Heute wird eine Strickjacke für Papa genäht. Mama hat heimlich Papas Maße gemessen und aufgeschrieben.
11:00 Mama kommt mit ungefähr 100 Zetteln an
11:30 Habe schon den ersten Fehler gemacht. Ich finde Downloadschnitte doof. Ich glaube Mama auch.
11:40 Ein Zettel fehlt, aber Mama sagt das kriegen wir hin. Sie hat doch bloß keine Lust nochmal zum Drucker zu rennen.
11:47 Wir können nicht an Papas Lieblingsstrickjacke messen, weil er die heute anhat. Aber er ist M.
11:56 Wir haben fertig geklebt und pausen den Schnitt ab. Mama hats wirklich geschafft.
Tja, das wars dann mit dem bloggen und gemeinsam gemütlich Nähen. Beim Zuschnitt beschloss meine Tochter, dass sie müde sei und einen Mittagschlaf bräuchte.... und wurde erstmal nicht mehr gesehen.
Ich machte mich also allein an den Zuschntt des Wollstricks (erstmal ein (Probe)teil kann ja auch nicht schaden, bevor man in die Massenproduktion geht!)
Ich entschied mich für die schmalere Kragenvariante und -da der Strickstoff recht voluminös ist- für einen Unterkragen aus passendem Jersey.
Auch den im Schnitt vorgesehenen Innenbeleg wollte ich weglassen, das würde sonst alles viel zu dick werden.
Ich habe mir also ein doppeltes Blendenteil konstruiert und dieses vorsichtig zur Hälfte mit Einlage bebügelt .
Diese Blendenteile habe ich an die Vorderteile angenäht und jeweils die zweite lange Seite geoverlockt.
Nach Einsetzen des Kragens (ebenfalls mit einer versäubernden Overlocknaht) bei gleichzeitigem Verstürzen mit der Blende habe ich die geoverlockten losen Blendenkanten dann unsichtbar von Hand an die Vorderteile angenäht.
Dieses Detail hätte man durch Verwendung von einer einheitlichen Garnfarbe für alle 4 Overlockfäden etwas besser lösen können, tsetse... (oder einfach auch durch vorrausschauenderes Arbeiten)
Bei den Knöpfen hatte ich drei tolle Varianten in angemessen erstklassiger Qualität auf Lager.
Und mich dann für die großen schlichten (rechts) entschieden. Da ich in die 2 Lagen Strickstoff keine vernünftigen Knopflöcher eingenäht bekommen würde, habe ich stattdessen beschlossen, große Druckknöpfe unter die Knöpfe zu setzen.
Während die Blende am Saum mit sich selbst verstürzt ist, habe ich den eigentlichen Saum der Jacke einfach einfach eingeschlagen und mit einem breit eingestellten dreigeteilten Zickzack angenäht.
Zum Annähen der Knöpfe kam dann meine Tochter auch noch rechtzeitig an den Nähtisch zurück. Bei schöner Musik hat sie diese gemütlich angenäht während ich ein paar Kekse genossen habe.
Die Jacke kam nicht nur als Geschenk sehr gut an, sondern ist mttlerweile ein richtiges Familienlieblingsstück geworden Das soll heißen, dass jeder von uns sie gern anzieht und sich darin wohlfühlt... Es ist ja keine Jacke zum Ausgehen somdern eher -so war es auch geplant- eine richtige Hausjoppe.
P.S.: Die zweite Jacke aus dem sog. Winterjersey ist mittlerweile auch fast fertig, die will ich auf jeden Fall beim ersten Treffen des "
Saison HerrMann" am 17.1. bei Monikate zeigen. Ich freue mich total auf diese Aktion. Es muss doch noch mehr so tolle Männerschnitte geben wie diesen Newcastle Cardigan. Den man jetzt übrigens auch als gedruckten Schnitt bei
Santa Lucia patterns bekommt. Nähen satt kleben! Verratet das bloß nicht meiner Tochter....