Donnerstag, 26. März 2015

Der bollerige Bielefeldmantel

Es gibt da noch etwas, das ich euch noch unbedingt zeigen will. Seit ein paar Wochen ist mein Annäherungsprojekt fertig: der bollerige Bielefeldmantel
Es war eine lange, schwere Geburt. Und auch das Ergebnis überzeugt mich nicht so richtig.


Wie alles begann:
Als Projekt für die Annäherung in Bielefeld hatte ich mir einen grünen Mantel vorgestellt und diese Inspiration bei Dawanda entdeckt.
Quelle: daWanda
Das alte Schnittmusterheft war leider schon verkauft und ich konnte somit nicht herausfinden, wie dieser üppiggroße Kragen bei einem einreihigen Mantel konstruiert ist. Probenähversuche mit anderen Vintage-Schnittmustern scheiterten und dann blieb in der turbulenten Woche vor dem Nähwochenende keine Zeit mehr für weitere Experimente. In der letzten Nacht suchte ich zuhause schnell einen legeren Mantelgrundschnitt, den ich problemlos auf einreihig verkleinern konnte und schnitt nach Mitternacht immerhin noch den Wollstoff für den Korpus zu.
Schnitt 114 Burda 9/2011
Als Besonderheit hatte ich mir eine Klimamembran bestellt, um den Mantel so richtig schön wetterfest zu machen. Diese Membran habe ich zusammen mit dem Oberstoff als eine Lage verarbeitet.
Und das hat mich dann viele, viele Nerven gekostet. Die wasserabweisende Seite der Membran hat eine wunderbar glatte futterähnliche Oberfläche. Dagegen hat die atmungsaktive, also dem Körper zugewandte Seite eine gummiartige Schicht, welche sich nur mit einem Teflonfuss nähen lässt. Beim Zusammennähen von Teilen liegen nun solche Gummischichten sowohl oben als auch unten. Ich habe geflucht und viel Nählust verloren, als sich die untenliegenden Mantelteile nicht unter der Maschine durchschieben liessen. Auch das Seidenpapier, dass mir Bele zum Unterlegen gab, funktionierte nicht,. es blieb ein einziger Kampf. Hätte nicht Frau langes Fädchen mit ihrem gelben, fertig beschichteten Stoff das gleiche Problem mit dem Stofftransport, ich hätte aufgegeben.
So quälte ich mich vor mich hin und ergriff willig jede Möglichkeit der Abwechslung, was bei so einer flauschigen Veranstaltung natürlich problemlos möglich ist.
Das Futter schnitt ich draußen auf dem Gang zu, da lernte ich gleich sogar noch Teilnehmer einer anderen Veranstaltung kennen. Jaha, ich konnte und kann mich vor lästigen Aufgaben schon immer sehr erfolgreich drücken.
Ich habe dem Mantel nicht nur Pattentaschen und Paspelknopflöcher geschenkt, sondern mit Memas hilfreicher Unterstützung vor dem Spiegel auch einen tollen Kragen entworfen.

Überhaupt war es eines der Wochenendhighlights neben Mema stehend all ihre Absteck- und Passformtipps aufzusaugen. Unglaublich lehr- und erkenntinsreich!

Mit meiner müde-lustlosen Nähhaltung habe ich den Mantel an dem Wochenende natürlich nicht fertig genäht bekommen. Aber immerhin konnte ich ihn gut ausgebügelt mit nach Hause nehmen.
Dort habe ich dann die Restarbeiten gleich lustlos erledigt und am Saum einen Streifen Wollstoff zum Verstürzen angefügt. Mein nächtlicher Bielefeld(alp)traum hat sich nämlich tatsächlich bewahrheitet: Der Mantel war etwas zu kurz.
Saumblende, darunter mitgefasste Klimamembran, Futter später von Hand an der Saumblende befestigt
Dann alles nochmal kurz ausgebügelt und die Membran endgültig total verflucht: Am Saum bildete sich nun aus heiterem Himmel eine riesengroße Beule. Offenbar hat sich der Wollstoff beim Bügeln und Aushängen(?) ganz anders entwickelt als diese Membran.
Ich trennte den Saum also wieder auf und war nahe dran, die ganze Membran komplett aus dem Mantel rauszuschneiden, entschied mich aber erstmal für eine gemäßigte Abschneidevariante:
Die um 30cm gekürzte Membran hängt nun nach unten frei zwischen Aussenstoff und Futter, welches ich von Hand wieder an der Saumblende angenäht habe. Diese Lösung fúnktioniert. In der Länge bollert der Mantel nicht mehr. Nur in der Breite noch....

Nach dem ersten Tragen kam dann noch der nächste Schreck, einer der 5 tollen Vintage-Knöpfe brach am Steg aus. Da ich keinen Ersatzknopf hatte und auch keinen mehr nachkaufen konnte, habe ich versucht, den Steg mit Sekundenkleber und Gaffaband zu flicken. Bis jetzt hat das gehalten, aber eine vertrauenswürdigere Lösung wäre mir lieber gewesen.

Nun ist der Mantel also im Einsatz und ich kann bei dem kalten Wind derzeit trotzdem schon prima Jerseykleider tragen ohne zu frieren.

Dramafutter ist immer gut!
Fazit:
Die Klimamembran hat mich viele Nerven und Zeit gekostet und ich war sehr gespannt, ob sich all der Nerv und die Mühe gelohnt haben. Der Mantel ist an sich ziemlich warm und wirklich absolut winddicht. Die leichten Regentropfen, denen er bisher ausgesetzt war, wurden schon vom Wollstoff abgefangen. Ich kann also zur Wasserfestigkeit nichts sagen.
Allerdings habe ich als Denkfehler einen viel zu großen Ausschnitt eingebaut, der ohne Schal viel zu viel kalte Luft reinlassen würde. Auch die relativ weiten Ärmel passen inhaltlich nicht so richtig zu der eingebauten Wetterdichtigkeit.
Die Membran knistert merkwürdig und hört sich beim Anziehen unangenehm an. Das scheint sich jetzt nach häufigem Tragen ein bißchen zu geben, aber völlig weg wird dieses Plastiktütenambiente wohl nicht gehen. 
Durch die Membran und die Probleme beim Stofftransport habe ich nur ganz verhalten Passformänderungen vorgenommen. Wäre dieses ein reiner Wollmantel, hätte ich da ganz sicher noch einige -teils nur kleine und unaufwändige- Modifizierungen vorgenommen. Und er wäre dann auch nicht so bollerig!

14 Kommentare:

  1. Ohneinohnein, was ein Drama. Braucht kein Mensch. Hut ab, dass Du das trotzdem durchgezogen hast, denn der Mantel ist toll geworden. Mir gefällt vor allen Dingen die Farbe unwahrscheinlich gut. Ich wünsche Dir - trotzdem - viel Freude an diesem Mantel.
    LG, Sandra

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  2. Also, ich finde den Mantel toll! Diese Farbe!! Und so wie du ihn kombinierst mit Stiefeln und dieser wunderbaren Sonnenbrille, kommst du mir vor wie aus einem Modemagazin der 60er gesprungen. Herrlich! Ich glaube allerdings nicht, dass ich bei all den Widrigkeiten durchgehalten hätte, insofern hast du meine große Bewunderung für´s Durchhalten. Nie im Leben werde ich irgendeine Membran vernähen, kannste glauben. Allerdings, wenn du selbst einfach Jerseykleider darunter tragen kannst ohne zu frieren bei diesen Temperaturen, dann denke ich vielleicht nochmal drüber nach.
    So schön, die Fotos von dir (und sage nochmal einer was gegen schön plakative Filter!)!
    Liebste Grüße,
    N

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  3. Auweia, nach deiner Nähbeschreibung habe ich eine richtige Katastrophe erwartet. Und was sehe ich:Einen wunderschönen, grünen Mantel. Der Kragen ist dir auch super gelungen. Und er steht dir richtig gut, zu viel Weite sehe ich auch nicht. Wirst sehen, mit dem nötigen Abstand zum beschwerlichen Nähweg wird das noch ein Lieblingsstück.
    LG von Susanne

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  4. Da kann man dir nur zu deinem leidenschaftlichen Durchhaltevermögen gratulieren. Und natürlich zum fertigen stück, aber Ich hätte wahrscheinlich schon nach halber Wegstrecke aufgegeben.VG kaze

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  5. Du Arme- du hast vom improvisierten Schnitt über komplizierte Materialien, Verbügeleien und (Knopf-) Halsbruch alles mitgenommen.....
    Respekt, dass du das trotzdem durchgezogen hast.. Die allermeisten hätten das wohl in irgendeine Ecke geschmissen.
    Und wenn man sich den Mantel so anschaut: Deine Hartnäckigkeit hat sich sehr gelohnt. Sehr sehr!

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  6. Auf den Bildern sieht der Mantel sehr schön aus. Du hast ja meinen allergrößten Respekt, für die Verarbeitung der Membran. Ich finde ja schon Füttern eine Herausforderung, da mag ich mir den Stress mit der Membran nicht vorstellen.
    Klasse, dass der Mantel jetzt fertig ist. Bei dem Stück hast du sicher ganz viel gelernt.
    😉
    LG,
    Claudia

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  7. Ich muss leider zugeben, dass ich bei all diesen Widrigkeiten, das Projekt vermutlich schon längst ad acta gelegt hätte. Meine größte Bewunderung für dein Durchhalten.
    Dass sich Wollstoffe beim Bügeln in der Größe verändern hatte ich auch schon bemerkt. Zum Beispiel beim Vliesaufbügeln und dann ist der Beleg auf einmal kürzer als das Vorderteil.
    Angezogen sieht der Mantel aber toll aus.
    Das mit den weiten Ärmeln hatte ich bei meiner Herbstmantel Sew-Along Jacke auch nicht bedacht (ich habe sie noch nicht gezeigt), die hat nämlich kürzer und weitere Ärmel und war daher bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich überlange Handschuhe bekommen hatte (Weihnachten) selbst bei an die 10°C nicht tragbar.
    Liebe Grüße
    Julia

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  8. Ach hättest du doch vorher mal laut in die Runde gerufen, genau den Fehler habe ich bei meinem roten Mantel auch gemacht und erst später bei einem Outdoorstoffehändler gelesen , dass die Membran auf das Futter kommt. Ich habe es ausprobiert, sie vernäht sich dann ganz leicht. Das Rascheln hört leider nicht ganz auf aber bei mir ist es nur dezent. Der Mantel ist toll und das kämpfen hat sich gelohnt, ein grüner Mantel ist genial. Schon passende Stiefel gefunden?
    Viele Grüße
    Sylvia

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    1. Danke für die Stiefelfrage ;))))
      Ich hatte auch daran gedacht, dass es schlauer wäre, die Menbran mit dem Futter zu doppeln, aber irgendwo (WER WAR DAS???) stand geschrieben, dass man die Membran auf keinen Fall mit dem Futter doppeln darf....
      Falls ich in meinem Leben jemals wieder Membran verwenden sollte (leider habe ich reichlich bestellt. Versandkosten und so...) kommt die aufs Futter. Basta! Ich höre da jetzt nur noch auf dich <3

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    2. Hach, Danke. Mein Nähbuch hat auch gesagt die Zwischenlage soll auf den Oberstoff, deshalb habe ich das so gemacht. Richtig ist was funktioniert, dafür sind wir ja "nur" Hobbyschneiderinnen ; ))

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    3. Genau. Zwischenlage auf Oberstoff funktioniert nämlich nicht!!!

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  9. Ach ja, die Mänteldesaster - wir sprachen drüber. Der Deine sieht aber nun, da er fertig ist sehr gut aus! Ich drück die Daumen für den Knopf , dass er hält, ich bewundere Dein Durchhaltevermögen und ich liebe Dein Dramafutter!
    liebe Grüße Dodo

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  10. Auch ich bin beeindruckt von Deinem Einsatz und angezogen sieht er wirklich gut aus. Ich hab auch noch einen 50er Jahre Mantelschnitt rumliegen, aber trau mich nicht ran, weil er schon von weitem kompliziert aussieht. seufz LG Agathe

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