Donnerstag, 11. April 2013

Textile Mutterliebe

Hach, das Tochterkind macht Schüleraustausch. Dabei es ist doch noch so klein.... Viel zu klein, um ganz allein bei fremden Leuten zu wohnen; viel zu klein, um eine Woche lang niemanden verstehen zu können.

Es wird auch nicht irgendwo in die ruhige französische Provinz gefahren. Nein nein.
Nicht wie ich früher nach Sens [sãs] im französischen Nirgendwo, damals wohnortbedingt meine Partnerstadt und (petite-) ville de Jumelage.
(Das einzig lustige an diesem Austauschziel war die interessante Aussprachevariante, die unser Schulsekretär stets bei seinen zahlreichen Durchsagen wählte: ein nasales "ßaaas" mit extralangem aaa).


Das Tochterkind fährt also -ganz anders als meine deutsche-Kleinstadt-besucht-französische-Kleinstadt-Erfahrungen-standesgemäß in die französische Kapitale, tauscht sich mit einer Klasse aus einer Schule direkt neben dem Montmatre aus. Hossa! Aber hey, wir sind hier ja auch ein Stadtteil mit urbanen Berg - das passt!

Mein Mutterherz ist hin-und hergerissen! Um meine Gefühle zu sortieren, plante ich mich textil abzureagieren. Und da sowieso ein angefangenes Kindermäntelchen seit Hebstbeginn 2012 bei jeder Umschichtung meiner Projektstapel tiefer und tiefer nach unten und in Vergessenheit rutschte, nahm ich mich seiner an.

Der Stoff ist sozusagen eine Maybachufermarkt-Zweitverwertung. Ich habe ihn bei uns um die Ecke auf dem Flohmarkt erstanden von einem Kind dessen Mutter ich schon mehrfach am Maybachufer einschlägig wühlen sah. Die 2 1/2 Meter kosteten mich somit auch nur noch 5,-€ statt der vermutlich 7,50€. Ich tippe ganz großzügig auf einen leichten Woll- mit etwas erhöhtem Polyanteil. Aber wirklich hübsch!
Dazu kombinierte ich ein ganz dünnes grauviolettes Steppfutter. Gefroren werden muss also à Paris bestimmt nicht.


Besonders viel Mutterliebe floss in das Eiffelturm-Detail. Liebevoll frei gestickt mit der Nähmaschine.
Aber trotzdem bestand das Tochterkind zusätzlich auf dem "das hast du immer da reingemacht"-Herz-Detail. Traditionell auf der ebenfalls "wie-immer" unumgänglichen Innentasche.
Hatte ich schon einmal erwähnt, wie ich bei aufwändigeren Kinderbekeidungsstücken immer wieder versucht habe, die Akzeptanz zu erhöhen durch eine kleine versteckte Applikation im Inneren als Geheimzeichen? Textile Mutterliebe eben.


Als besondere Raffinesse hatte ich die Fransenreihe vom Stoffrand offen an die Innenseite des Belegs genäht. Das Ergebnis war allerdings eher merkwürdig und ich habe die Fransen nachträglich alle abgeschnitten.


Der Schnitt ist das Modell 24 aus der ottobre 5 / 2006:

Und als ich jetzt das Heft wieder rausholte, um die Fotos für diesen post zu machen, musste ich feststellen, dass die ottobre-Designer damals beim Entwerfen des Mantels anscheinend auch an Paris gedacht hatten. So schließt sich der Kreis- oder was auch immer.



 Und hier der Mantel in ganzer Pracht (aber im Zustand noch ohne Knöpfe):

23 Kommentare:

  1. Ach ist der Mantel schön. Der Stoff, der Schnitt einfach nur super, Liebe Grüße Susi

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  2. Textile Mutterliebe - als Idee und als Egebnis ganz ganz wunderbar!

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  3. Wunderschön ist das Mäntelchen geworden. Was für eine süße Idee mit dem Herzchrn im Innenleben. LG

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  4. Der Mantel ist ein echtes Sahnestück. Das eingestickte Geheim-Herz *hach*.

    LG Luzie

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  5. Oh, wie schön! Achje, immerhin wird dem Kind nicht kalt werden. Und es wird passend französisch schick aussehen.

    Irgendwie waren früher die Schüleraustausche (aua, das ist bestimmt nicht der richtige Plural) erst in fortgeschrittenem Alter und vorzugsweise eher provinziell.
    Ich hoffe, mir bleibt noch eine Gnadenfrist bei meiner Tochter, bis das losgeht.

    Tja, und es ist immer wieder interessant, wie anders die Elternperspektive so ist im Gegensatz zur damaligen, als man selbst noch Kind war. Manchmal eine Strafe ;)

    Liebe Grüße!

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  6. Du sagst es deiner Tochter nicht, aber ich finde den Mantel total süß. Aber selbstverständlich teenagertauglich und à la francaise (oder so ähnlich).
    Ich glaube ich war 14 oder 15 beim Schüleraustausch, natürlich ging´s da auch in die Provinz, nahe Lyon. Dieses Jahr ist ja großes Jumelage-Jubiläum, da sind die Gästezimmer meiner Eltern voll...
    Liebe Grüße
    Julia
    PS: Viel Spass morgen und Grüße!

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    1. hab es schon gelesen. "total süß" ist noch ganz o.k. :)

      MLLW ( die Tochter!)

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  7. Dies Bild aus der ottobre blieb sicher im Gedächtnis haften. Und als der Austausch in Berlin anstand, da meldete sich das Unterbewusstsein: "Nähe diesen Mantel fertig. Nähe diesen Mantel fertig." Ich fest davon überzugt. Ein schöner Mantel mit sehr schönen Mutterliebe Details.
    lg monika

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  8. Hach, ich bin ganz gerührt. Der wunderschöne Mantel! Das Herz! Das ziehenlassen und vertrauen! Textile Mutterliebe, schnief...
    Sehr schöner Post.
    Viel Spaß Deiner Tochter in der großen weiten Stadt!
    Melleni

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  9. Hach, diesen Mantel aus der Kinder-Ottobre habe ich damals auch angeschmachtet. Aber die Tochter war für die letzte Größe schon zu groß, einmal davon abgesehen, ob sie mir erlaubt hätte, solch einen Mantel für sie zu nähen. Deine Version ist jedenfalls tres chic und die liebevollen Details sind entzückend. Dieses Jahr steht bei uns auch im Zeichen des Schüleraustauschs. Die Tochter war gerade 2 Wochen in New York und Washington unterwegs, der Gegenbesuch steht noch aus. Und der Sohn erwartet schon ganz aufgeregt seinen französischen Austauschschüler aus Pont l`Abbe, der heute Abend ankommen wird und den er im Gegenzug im Juni besuchen wird.
    LG

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  10. Hallo Wiebke,

    wie alt ist deine Tochter denn, dass sie schon auf Austausch fährt? Wenn ich mir den Schnitt so anschaue, doch bestimmt noch recht jung?
    Mit dem Herz hast du mich auf eine Idee gebracht, wenn ich darf, leihe ich die mir aus und wende sie bei meiner Tochter auch an...
    Die ist schon etwas älter und wird in genau 90 Tagen für ein ganzes Jahr nach Australien gehen.... Wie werd ich sie vermissen und mir im geheimen ein paar Sorgen machen...
    Ganz liebe Grüße
    Monika

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  11. Wie schön, dass du deine Tochter mit so einem schicken Mantel in die weite Welt schicken kannst! Deiner Tochter Wünsche ich viel Spaß und dir, dass die Zeit ohne sie nicht zu lang wird;)

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  12. Sehr schönes Mäntelchen. Und auch wieder so schön beschrieben ... Das wir bestimmt ein unvergesslicher Aufenthalt. Auslandsaufenthalte haben ja so eine ganz irre Prägung auf das spätere Leben. Jedenfalls ist es mir immer so ergangen.
    viele Grüsse, Birgit

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  13. Sehr liebevoll gemacht und eindeutig paristauglich! den würde ich auch tragen!Die Fransen am Beleg ist eine tolle Idee, waren sie optisch störend oder irgendwie im Weg? schade, dass sie nun weg sind.
    Die Idee mit den geheimen Zeichen überzeugt jedes Kind!und es hat auch etwas von geliebten Kuschelbären, den ich vielleicht nicht mitnheme, weil die anderen lachen könnten.Sozusagen eingepackte Heimat.Aber das ist es sowieso, wenn Mama diesen Mantel genäht hat.
    Schöne Tage für dein Mädchen! LG Kaze

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  14. Das Herz und der ganze Mantel sind wunderschön, Wiebke! Bestell dem Tochterherz beste Grüße von Juli Kirsche ("ich weiß, wer du bist!") und sei tapfer. Ich war in Orsay (immerhin bei Paris) und es war ganz wunderbar.
    Liebe Grüße!

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  15. wow was ist das den für ein toller Mantel! Ich sag nur noch Chapeau!
    LG ilsebyl

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  16. Oh wow, sowas französisch-schickes gab es bei uns damal nicht :-(
    Ich war in Nantes, zwar nicht wirklich klein, aber eben auch nicht schick, nichtmal die Französinnen. Ich war allerdings auch schon älter, wir Ossis durften ja erst nach der Wende ;-)

    Die Idee mit der heimlichen Mutterliebe ist sicher eine super Idee für das Alter, das muss ich mir merken!

    LG
    anne

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  17. Sehr sehr schön, mit lauter liebevollen Details.
    Meine Tochter hat den Mantelschnitt auch mal zwei Jahre getragen und sehr geliebt. Dann wurde das Teil zu klein.
    Ein Jammer, dass die Kinder wachsen. Und in die Ferne entlassen werden. Erste Erfahrungen mit Alkohol machen müssen (Oh, die Franzosen sehen das sehr locker....)
    Ein Jammer. :)

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  18. Oh ja, diese Gefühle kenne ich so gut, als Gluckenmutter mit stetigem Bemühen, das rational im Rahmem zu halten......Wundebarer Mantel, tolle Mama!
    Herzliche Grüße
    Sabine

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  19. So lange Deine Tochter auf dem inneren Herz besteht ( das hast Du da immer rein gemacht ) und so lange Du das da rein machst , kannst Du sicher sein , dass Dein " Mädel " den Aufenthalt gut übersteht. Und nach 2 Tagen " mir wurde irgendwas amputiert Gefühl " kann man dann auch loslassen ;)
    Der Mantel ist im übrigen " Zucker " !
    LG Dodo

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  20. So schön! Ich würde den Mantel sofort anziehen! Deine Gefühle bezüglich der Reise kann ich auch gut verstehen. Aber du kannst stolz sein, das sie los zieht und das Abenteuer meistern will! Der Mantel ist dafür perfekt!

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  21. Der Mantel ist so richtig schick. Stoff und Schnitt gefallen mir sehr. Das geheime Stück vom Mutterherz für unterwegs ist eine sehr schöne Idee. Bei uns gibt es für diesen Zweck immer eine Kleinigkeit aus einer abegelegten Klamotte von mir.
    Viele Grüße,
    Malou

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